10. Hörfest Neue Musik

Traditionslinien

Das Jubiläums-Hörfest widmet sich einem ebenso wichtigen wie kontroversen Thema: Dem Verhältnis zwischen der Suche nach neuen Wegen und dem Respekt vor dem Alten.

Einst trat die „Neue Musik“ mit dem emphatischen Anspruch auf, Überkommenes abzustreifen und einen völligen Neuanfang zu wagen. Zu sehr war die Tradition als Mittel der Verführung diskreditiert. Mit einigem zeitlichen Abstand zeigt sich jedoch, dass selbst die nüchtern konstruktiven Ideen der musikalischen Moderne häufig aus intensiver Beschäftigung mit Traditionen erwachsen sind, etwa wenn die Erfinder der Zwölftonmusik den polyphonen Stil der franko-flämischen Schule des 15./16. Jahrhunderts studierten.
Mag die Ausdrucksästhetik des 19. Jahrhunderts angesichts des ungehemmten Missbrauchs musikalischer Emotionalität auch heute noch bei manchen Künstlern auf Ablehnung stoßen, so gibt es mittlerweile doch eine sehr differenzierte Rezeption musikalischer Tradition. Das vielleicht prominenteste Vorbild: das im Tonfall eines Requiems komponierte Violinkonzert von Alban Berg, das durchwirkt ist von Elementen eines Bach-Chorals, der schließlich ganz explizit zitiert wird: „Es ist genug! Herr, wenn es Dir gefällt, so spanne mich doch aus!“
Die Intensität des Aufeinandertreffens von Alt und Neu wird in einer Weise erlebbar, die tief bewegt. Künstler wie Bernd A. Zimmermann knüpften an solche Vorbilder an und komponierten in Abkehr vom „Reinheitsgebot“ dogmatischer Schulen eine Musik, die bei aller Modernität Bezug nimmt auf historische Idiome und so ein Stilgemisch und den Vorwurf des Regressiven riskiert. Manch Kontroverse schwelt bis heute um diesen Punkt. Insgesamt aber überwiegt inzwischen eine pragmatische Sichtweise, die in der Rückbesinnung auf Tradition vor allem den Facettenreichtum historischer Idiome als unerschöpfliche Quelle der Inspiration schätzt.

Programm des 10. Hörfest Neue Musik