“Zeitgenössische Klänge werden erkundet”, Lippische Landes-Zeitung 25. September 2012

Hörfest Neue Musik in Detmold widmet sich „Musik und Sprache“

  • Detmold (tom). Musik, in der gesprochene oder gesungene Sprache eine wichtige Rolle spielt, steht im Mittelpunkt der dritten Ausgabe des „Hörfestes Neue Musik“ in Detmold. Insgesamt sechs Konzerte und ein Workshop („Augmenting – 42 Stimmen für John Cage“) bieten am kommenden Wochenende in Detmold Gelegenheit, zeitgenössische Klänge zu erkunden. In der Reihe „Nachgefragt“ stellt sich unter anderem der slowenische Posaunist und Komponist Vinko Globokar den Fragen der Hörer. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

    Den Auftakt des Hörfestes, das von der Initiative Neue Musik in Ostwestfalen-Lippe e. V. veranstaltet wird, bestreiten das Detmolder Ensemble Horizonte unter Leitung von Jörg-Peter Mittmann und diverse Solisten mit Hans Werner Henzes Hölderlin- Vertonung „Kammermusik 1958“ (28. 9., Musikhochschule Detmold, 19.30 Uhr). Das Stück über Hölderlins Hymne „In lieblicher Bläue“ für Tenor, Gitarre und Soloinstrumente hat das Ensemble auch gerade alsCD-Aufnahme (Wergo) veröffentlicht. Kompositionen von John Cage, György Kurtag, Luciano Beriound Martin Christoph Redel erklingen am Samstag im Literaturbüro OWL, Haus Münsterberg, Hornsche Straße 38 (29. 9., 15.30 Uhr). In Zusammenarbeit mit der Marienkantorei Lemgo führt das Ensemble Horizonte ebenfalls am Samstag (19.30 Uhr) in der Kirche St. Marien in Lemgo Kompositionen auf, die sich auf Gedichte Friedrich Gottlieb Klopstocks beziehen.

    Im Detmolder Grabbe-Haus, Bruchstraße 27, musizieren Mitglieder des Orchesters des Landestheaters Detmold Luciano Berios „Folk-Songs“ und Kurt Schwitters’ „Ur-Sonate“ (30. 9., 11.30 Uhr). Das ArtWork Ensemble, wie das Ensemble Horizont fester Kooperationspartner des Hörfestes Neue Musik, spielt am Sonntag zwei Uraufführungen von Bernd Schumann („Verlorene Gesichter“) und Aleksandar Pejovski („AHh. facing the Iconostasis“) sowie „Discours IX“ (1993) von Vinko Globokar (30. 9., 16 Uhr, Musikhochschule).

    Im Abendkonzert am Sonntag, 19.30 Uhr im „Hangar 21“, Charles-Lindbergh-Ring 10, interpretiert das Nomos-Quartett Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ und Nonos „Fragmente – Stille, An Diotima“. Darüberhinaus stellen die Voice-Artistin Isabeella Beumer und die Teilnehmer ihres John-Cage-Workshops die erarbeitete Bühnenpräsentation vor: ein choriges Geräuschmusikstück für 42 Stimmen. „Der erfolgreichste Zugang zu Neuer Musik ist das eigene Aktivwerden. Der Workshop will dazu Mut machen“, so die Künstlerin. Zum Abschluss spielt das renommierte niederländische Ensemble Insomnio am Montag mit Schönbergs „Pierrot Lunaire“ und Boulez’ „Le Marteau sans maitre“ zwei Klassiker der Moderne (1. 10., Hangar 21, 19.30 Uhr). In der Reihe „Nachgefragt“ bieten die Veranstalter im Anschluss an die meisten Konzerte den Hörern die Chance, sich mit Interpreten und Komponisten auszutauschen.

    Lippische Landeszeitung, 25. SEPTEMBER 2012

“Klang der Sprache in Gedichten ergründen”, Mindener Tageblatt

Drittes Hörfest Neue Musik in Detmold beginnt heute / Acht Konzerte in vier Tagen

  • Von Beate Depping

    Detmold (blz). Martin Chris­toph Redel stellt die Partitur auf das Notenpult und schlägt sie auf. Nicht eine Note ist auf dem Papier zu sehen - dafür aber rote, gel­be, blaue Schlangenlinien und einzelne Worte in unter­schiedlichen Sprachen.

    Keine Frage: Die „Arie für Solo-Stimme" von John Cage hat wenig gemeinsam mit dem traditionellen Verständnis ei­nes solistischen Gesangsstücks - eines von vielen unkonven­tionellen Werken, die beim 3. Hörfest Neue Musik von heute an bis zum 1. Oktober in Det­mold zu erleben sind.

    „Es ist mehr eine Improvisa­tionsvorlage als eine Partitur", erläutert Martin Christoph Re­del, selbst Komponist und Mit­organisator des Hörfestes, die Anweisungen von Altmeister John Cage. „Deshalb klingt die Arie auch bei jeder Aufführung anders."

    „Musik und Sprache" lautet in diesem Jahr das Motto des Hörfestes, das die Initiative Neue Musik in Ostwestfalen­Lippe bereits zum dritten Mal auf die Beine stellt, um die Neue Musik einem breiten Pu­blikum nahe zu bringen. Ne­ben bekannten Namen wie Hans-Werner Henze und Ar­nold Schönberg stehen Kom­ponisten auf dem Programm, die teilweise persönlich bei den Konzerten anwesend sind. So wie Jörg-Peter Mittmann, der ein Stück zu Gedichten von Friedrich Gottlieb Klop-stock geschrieben hat und es am Samstag im Rahmen eines komplexen „Klopstock-Pro-jekts" präsentiert, einem abendfüllenden Programm, in dem die Sänger auch schon mal wechseln vom Liedvortrag zum Vortrag von Staumeldun­gen aus dem Radio.

    Instrumentale Umsetzung von Aphorismen

    Das Spektrum der musikali­schen Auseinandersetzung mit Sprache lotet das Hörfest nach allen Seiten aus. Es gibt Stücke, in denen Texte auf traditionelle Weise zum Vortrag kommen, wie etwa in Giselher Klebes „Mir träumte, ich müsste Ab­schied nehmen", einem „La­mento mit dem Gedicht von Günter Grass für Gesang und sieben Instrumentalisten" (1998) oder Hans Werner Hen­zes Kammermusik 1958 über die Hymne „In lieblicher Bläue" von Friedrich Hölder­lin. (Beide zu hören am Freitag, 28. September, 19.30 Uhr in der Musikhochschule Detmold.)

    Anderen Komponisten wie Luciano Berio in seiner „Se-quenza III" von 1966 geht es nicht um den Inhalt der Spra­che, sondern um den Klang einzelner Satz- oder Wortfrag­mente, oftmals reduziert bis auf einzelne Laute.

    Noch ei­nen Schritt weiter geht György Kurtag in seinen rein instru­mentalen Interpretationen „Signs, games and messages" von 2005. Beide Werke sind zu hören am Samstag, 29. Sep­tember, 15.30 Uhr, im Litera­turbüro OWL, wo auch John Cages „Arie" aufgeführt wird sowie die „Innen-Lieder", die der Detmolder Redel 2010 als rein instrumentale Auseinan­dersetzung mit Aphorismen von Irena Wachendorff ver­fasste. Sie sind bei dem Kon­zert im Wechsel mit Rezitatio­nen der ebenfalls anwesenden Dichterin zu hören.

    Insgesamt acht Konzerte -allesamt mit kostenlosen Ein­tritt - sind zeitlich so gestaffelt, dass Besucher die Chance haben ben, das Festival-Programm komplett mitzuerleben. Nach jedem Konzert stehen die In­terpreten und teilweise auch die Komponisten für persönli­che Nachfragen zur Verfü­gung.

“Den eingeschlagenen Weg fortsetzen”, NMZ November 2012

Zum Hörfest Neue Musik in Ostwestfalen

  • Ein Artikel von Iris Witt
    Ausgabe: 11/2012 - 61. Jahrgang

    (nmz) - In seiner dritten Auflage ist es fast schon zur Institution geworden: Das Hörfest Neue Musik, das vom 29. September bis 1. Oktober in Ostwestfalen stattfand. Mit dem diesjährigen Thema „Musik und Sprache“ wandte man sich einer uralt-prekären, mitunter krisengeschüttelten Beziehung zu. Sie aufarbeiten zu wollen, wäre schon im Ansatz verfehlt. So waren es eher einzelne Schlaglichter, die in acht Konzerten präsentiert wurden und doch deutlich einen roten Faden erkennen ließen.

    Von der Schweizer Geigerin Anne-Noëlle Darbellay, die in der Klangwerkstatt Detmold die – auch schauspielerisch faszinierende – Zwiesprache mit ihrem Instrument suchte, spannte sich ein Bogen bis zum niederländischen Ensemble „Insomnio“. Unter der Leitung von Ulrich Pöhl demonstrierten die Musiker in ihrem Programm „Vom Pierrot zum Marteau“ die ungebrochene Aktualität der „Klassiker“ Schönberg und Boulez.

    Das Ensemble Horizonte präsentierte das Herzstück seiner neuen CD, Henzes „Kammermusik 1958“, flankiert von einer szenischen Lesung der semantisch entrückten Hölderlin-Hymne „In lieblicher Bläue“. Damit kontrastierte der wohlgesetzte Grass-Text „Mir träumte ich müsste Abschied nehmen“, den Giselher Klebe 1998 für das Ensemble und die Sängerin Gerhild Romberger vertont hatte, wohlwissend, dass letzterer keine noch so feine Nuance zwischen den Zeilen entgehen würde. Das Ensemble unter der Leitung von Jörg-Peter Mittmann lud gleich noch zu einem zweiten Hörabend in die gotische Kirche St. Marien in Lemgo. Im Dialog mit Schülern und der örtlichen Kantorei machte man sich daran, den alt-ehrwürdigen Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock zu entstauben und sein Werk bohrenden Fragen auszusetzen.

    Etwas leichtfüßiger präsentierte sich die Matinee des Landestheaters Detmold mit Berios spritzig musizierten „Folk Songs“ und den entzückend-hintersinnigen „Federico’s Little Songs for Children“ von George Crumb. Der engagierte Einsatz der Orchestermusiker für das Hörfest hat mittlerweile Tradition. Erstmals dagegen fand ein Konzert in den Räumlichkeiten des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe statt, bei dem die Sängerin Frauke Aulbert und der Bratschist Hariolf Schlichtig im Zusammenwirken mit der Lyrikerin Irena Wachendorff Kompositionen von Cage, Kurtag, Berio und Redel zu Gehör brachten. Diese mehr lyrische Facette des Hörfest-Themas kontrapunktierte einen Tag später das ArtWork Ensemble (2 Klaviere und Schlagzeug) durch Vinko Globokars „Discours IX“ und zwei Uraufführungen: „Verlorene Gesichter“ von Bernd Schumann sowie „AHs, facing the iconostasis“ des mazedonischen Komponisten Aleksandar Pejovski.

    Als faszinierender Ort für die Präsentation Neuer Musik erwies sich erneut der ehemalige Flugzeug-Hangar an der Detmolder Peripherie. In seiner überbordenden Kathedral-Akustik machte er unter anderem die Aufführung von Nonos Streichquartett „Fragmente – Stille, An Diotima“ – hervorragend dargeboten vom Nomos-Quartett – zu einem ganz besonderen Erlebnis. Das Werk erwies wie Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ in diesem Kontext einmal mehr seine Unantastbarkeit als Meilenstein der Musik des 20. Jahrhunderts.

    Die Resonanz des Publikums be­stärkt die Macher des Hörfestes, die Initiative Neue Musik in Ostwestfalen-Lippe um ihren Vorsitzenden Hans Timm darin, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. So feilt man bereits an der Konzeption für das Jahr 2013, das sich dem Thema „Mythos und Moderne“ zuwendet.

Lippische Landeszeitung, 1. Oktober 2012

Lippische Landeszeitung, 10. Oktober 2012