Im Rausch der Klänge

Ekstase, Leidenschaft, ein Sich-Versenken in den puren Hörgenuss: das sind Vorstellungen, die man einerseits mit der Musik der Romantik, andererseits aber - und das noch viel ent­schiedener und körperlich erlebbarer - mit Jazz, Rock und Pop verbindet. Ganz gewiss scheint hierher nicht die Neue Musik zu gehören. Ihrem historischen Selbstverständnis nach ist sie eher nüchtern-rational und möchte auch in diesem Sinne aufmerksam und kritisch, ein Stück weit intellektuell distanziert, rezipiert werden. Da möchte kein „Funke überspringen“, nicht zu Rhythmen getanzt werden, nicht das kritische Bewusstsein einem Trancezustand weichen, hervorgerufen womöglich durch psychedelisches Pulsieren. Im Gegenteil: ein Gebot, das am Beginn der musikalischen Moderne steht, betrifft den rigiden Verzicht auf Wiederholungen, auf alles, was für den Prozess einer logischen Entwicklung unproduktiv erscheint.

Der rauschhafte Genuss von Klängen steht offenbar also im schroffen Gegensatz zu den Paradigmen der Neuen Musik. Doch gerade der spannungsreiche Widerspruch vermag auch Energien freizusetzen, die Denkprozesse in Gang setzen und begriffliche Konstanten in Frage stellen. So möchte das 15. Hörfest Neue Musik den reizvollen Kontrast zwischen dem intellektuellen Gepräge zeitgenössischer Kunstmusik und dem unmittelbaren sinnlichen Genuss ausloten und – im besten Fall – aufheben. Repetitive Klangfelder, getanzte Musik, expressive Leidenschaft geben den Ton an und sollen dem Publikum vielfältige Anregung bieten. Kann zeitgenössische Kunstmusik ihre Hörer in Klangrausch versetzen? Unbedingt!